Staatsschulden statt Exportwahn! – mit Friederike Spiecker

In den letzten Wochen wurde von der Ampel die erste Maßnahme angegangen, um den Spielraum unter der ab 2023 wieder einsetzenden Schuldenbremse zu erhöhen. Dabei geht es um den Energie- und Klimafonds, der befüllt werden soll, um ihn in den kommenden Jahren ausgeben zu können. Mit Friederike Spiecker, die als Expertin in die Anhörung des Haushaltsausschusses geladen wurde, habe ich darüber gesprochen.

Hallo und herzlich willkommen zu den Wirtschaftsfragen. In den letzten Wochen wurde von der Ampel die erste Maßnahme angegangen, um den Spielraum unter der ab 2023 wiedereinsetzenden Schuldenbremse zu erhöhen. Mein Name ist Lukas Scholle und heute geht es um den Nachtragshaushalt 2021.

Friederike Spiecker: Deutschland muss seine Schuldenbremse abschaffen oder zumindest so reformieren, dass der Staat jederzeit auf das Sparverhalten der Privaten flexibel reagieren kann. Das ist erforderlich, solange der Unternehmenssektor nicht bereit ist, per Saldo die Schuldner-Rolle zu übernehmen.

Das war Friederike Spiecker. Sie ist Ökonomen, Autorin und war Sachverständige in der Anhörung zum Nachtragshaushalt im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie hat im Vergleich zu den anderen progressiven Ökonomen, die eingeladen waren, einen etwas anderen inhaltlichen Fokus gesetzt, über den sie gleich berichten wird.

Noch mal zur Erinnerung: Die Ampel hat ja ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um die Wirkung der Schuldenbremse abzuschwächen, in den Koalitionsvertrag geschrieben. Angefangen bei der Ausweitung der Kreditermächtigung für Bahn und Beamer, über den Tilgungsaufschub der Corona-Schulden bis hin zur Prüfung der Konjunktur-Komponente. Das sind nur einige Beispiele und im Kern gute Ansätze, da klar ist: Die Schuldenbremse bekommt man so einfach nicht weg und so einfach auch grundlegend nicht reformiert, vor allem nicht mit der FDP. Im Nachtragshaushalt kommt eine weitere Maßnahme der Ampel zum Vorschein. Sie ist ziemlich besonders, da Kreditermächtigungen eines abgeschlossenen Haushaltsjahres im Nachhinein genutzt werden. Das Besondere ist auch, die Kreditermächtigung hat die GroKo noch beschlossen, dann aber nicht genutzt. Aus einer ganzen Reihe an Gründen, die zum größten Teil aber fragwürdig sind. So kann Lindner sich jetzt fein rausreden und sagen, dass er keine zusätzlichen Schulden gemacht habe, sondern nur die Spielräume der Vorgängerregierung genutzt habe. Die Gelder fließen in den Energie- und Klimafonds, wo sie in der Nutzung zeitlich limitiert und inhaltlich begrenzt sind. Diese Eingrenzung ist in der Kombination mit der Begründung sehr wichtig, wie wir gleich sehen werden. Technisch ist das erst möglich, seitdem die Ampel sich eine schlaue Reform hat einfallen lassen. Jetzt fällt nämlich das Befüllen des Energie- und Klimafonds unter die Schuldenbremse, die ja derzeit ausgesetzt ist und nicht wie vorher das Ausgeben der Gelder in der Zukunft, wenn die Schuldenbremse wieder gilt.

Der Großteil der Ökonomen abseits der Anhörung, als auch innerhalb der Anhörung ist sich einig, dass der Staat größere Spielräume braucht. Sie begründen ähnlich wie die Bundesregierung den Nachtragshaushalt inhaltlich damit, dass die Corona-Krise so viele staatliche Ausgaben erforderte, dass andere Ausgaben, wie zum Beispiel Klimaschutzmaßnahmen, verdrängt wurden. Daher sei die Befüllung in Kombination mit der Begrenzung der Mittelverwendung auch im Sinne der Aussetzung der Schuldenbremse durch die pandemische Notlage in Ordnung. Kritik gibt es vor allem von der Union, die sogar Verfassungsklage gegen den Haushalt angekündigt hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Lindner auch dagegen geklagt hätte, wenn er in der Opposition wäre. Bemerkenswert war auch noch das Gutachten des Bundesrechnungshofs in der Anhörung, der sich ja oft als Schuldenbremse-Hooligan gibt. Nur zur Info: Der Präsident des Bundesrechnungshofs war jahrelang CDU-Funktionär in deren Bundestagsfraktion. Und der Vizepräsident des Bundesrechnungshofs war FDP Bundestagsabgeordneter und im Parteivorstand der FDP. Das Gutachten des Bundesrechnungshofs sieht den Nachtragshaushalt also, wie zu erwarten, kritisch und endet mit den Worten: „Eine wirksame Schuldenregel ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.“ Das klingt so, als dass bei höherer Staatsverschuldung die Gesellschaft zusammenbrechen würde. Insbesondere vor dem Hintergrund, was durch die Schuldenbremse alles verhindert wurde, ist solch ein Statement bemerkenswert. Sie hat nämlich auch die Pandemie verschlimmert. Was wäre, wenn die Gesundheitsämter bereits digitalisiert wären, die Krankenhäuser besser ausgestattet wären und die Schulen bereits Übung mit der Technik für Homeschooling hätten? Zum Glück gab es in der Anhörung auch noch Juristen wie Alexander Thiele, die zu einem positiven Urteil über den Nachtragshaushalt kamen. Auch unter den Ökonomen hat Friederike Spiecker einen besonderen Fokus gesetzt.

Liebe Friederike, vielleicht noch mal einen Schritt zurück. Wie hast du den Nachtragshaushalt beurteilt?

Friederike Spiecker: Die Intention, dass der Bund dieses Jahr und in den kommenden Jahren weiterhin Ausgaben auf Kredit tätigen will, die ist grundsätzlich richtig. Allerdings ist die Dimension im Vergleich zum erwarteten Sparverhalten der privaten Haushalte und des Unternehmenssektor in Deutschland deutlich zu gering. Streckt man nämlich diese 60 Milliarden auf drei Jahre, sind das pro Jahr 20 Milliarden Euro. Haushalts- und Unternehmenssektor zusammen werden aber allein dieses Jahr, in 2022, über 300 Milliarden Euro sparen, obwohl die private Sparquote inzwischen wieder sinkt. Die war ja Pandemie-bedingt massiv gestiegen. Aber auch wenn man jetzt einen deutlichen Rückgang der Sparquote annimmt, bleiben immer noch dreistellige Milliardenbeträge, die nicht ausgegeben werden, die also der Gesamtwirtschaft als Nachfrage fehlen. Dagegen nehmen sich die 20 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben des Energie- und Klimafonds nicht gerade umfangreich aus, würde ich mal sagen. Vor allem aber und das ist nämlich der Knackpunkt, ist die rechtliche Konstruktion, die Milliarden durch die nicht ausgeschöpft die Kreditermächtigung aus dem Jahr 2021 sozusagen auf Vorrat zu parken, um sie für die Zeit nach 2021 zur Verfügung zu haben, die ist ziemlich haarsträubend. Ich kann und will die juristischen Fragen zum Beispiel der Änderung der Verbuchungs-Regeln, die damit zusammenhängen, nicht beurteilen. Ich bin keine Juristin. Aber man kann klar sagen: Die Regierung, die verrenkt sich hier, um eine Quadratur des Kreises zu meistern. Die besteht darin, die Schuldenbremse ab 2023 einhalten zu wollen, zugleich aber öffentliche Investitionen in den Klimaschutz zu tätigen und private Investitionen in diesem Bereich anzuregen, ohne dafür Steuern zu erhöhen oder den Bundeshaushalt umzuschichten, sprich diese Investitionen auf Kosten der Sozialausgaben zu finanzieren. Diese Quadratur des Kreises, dieses Problem ist selbst gemacht, und zwar in dem Sinne, dass die Wahlversprechen der koalierenden Parteien nicht zusammenpassen. Und jede Partei sich eben ihren Wählern verpflichtet fühlt. Aber, dass die gewählte Lösung über einen zweiten Nachtragshaushalt für 2021, für das zurückliegende Jahr, keine wirkliche Lösung ist, das liegt auf der Hand.

Das stimmt wohl. Allein das Geld aus dem Nachtragshaushalt wird es nicht richten. Mal sehen, wie viel Spielraum die geplanten restlichen Maßnahmen ermöglichen werden. Bei der Anhörung und den Gutachten war auch ganz schön krasse Äußerung dabei. Das Gutachten des Bundesrechnungshofs endete mit den Worten: „Eine wirksame Regel ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.“ Wie beurteilst du solche Äußerungen von den geladenen Experten?

Friederike Spiecker: Ja, daran wird das Dilemma recht gut sichtbar. Der Professor Hennecke vom Deutschen Landkreistag hat in der Anhörung gesagt, dass man die Schuldenbremse für richtig oder falsch halten könne, aber, wörtlich: „Wir haben sie nun mal, wenn wir sie haben, bin ich als Jurist für Einhaltung.“ Zitatende. Und Professor Groebel von der Universität des Saarlandes. Der hat erklärt, Zitat: „Die gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise wurde mit Einführung der neuen Schulden-Regel, vielleicht zum Leidwesen vieler Nationalökonomen, sehr stark in den Hintergrund gedrängt. Wir haben bei der Schuldenbremse, bei der neuen Schulden-Regel keine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise mehr.“ Zitatende. Und genau das ist das Problem. Wir haben mit der Schuldenbremse eine Gesetzesvorschrift, noch dazu mit Verfassungsrang, also nur sehr schwer zu revidieren, die den Staat daran hindert, jederzeit das gesamtwirtschaftliche Interesse zu vertreten, wahrzunehmen, das selbstverständlich auf einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise der jeweiligen Lage basiert. Dass hier die Juristerei gegen die makroökonomische Vernunft ausgespielt wird, ist in meinen Augen schon ziemlich abenteuerlich, und zwar nicht, weil das irgendwie ehrenrührig für die Volkswirte wäre. Die sind ja selber schuld dran an diesem Unfug, weil sie vor der Einführung der Schuldenbremse nicht klar genug dagegengehalten haben, sondern die Schuldenbremse sogar noch unterstützt haben. Jedenfalls der überwiegende Teil der Fachwelt. Nein, das in meinen Augen abenteuerliche ist, dass es gar nicht um irgendwelche unterschiedlichen ökonomischen Theorien geht, bei der Frage, ob die Schuldenbremse gut oder schlecht ist oder ob sie heute eingehalten werden soll oder doch erst morgen. Es geht dabei um eine Logik, gegen die man nicht verstoßen kann, sondern die sich jederzeit gnadenlos durchsetzt. Und das ist die Einnahmen-Ausgaben-Logik. Wenn die drei Binnen-Sektoren einer Volkswirtschaft, nämlich die privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staatssektor alle gleichzeitig sparen wollen, dann fehlt es der Gesamtwirtschaft an Nachfrage. Denn dann wird von allen versucht, weniger auszugeben als einzunehmen. Das ist nämlich der Hintergrund von Sparen. Und dann bleibt irgendwer auf seinem Güter-Angebot sitzen bzw. produziert von vornherein weniger, beschäftigt weniger Arbeitskräfte, investiert weniger und dann rauscht die Wirtschaft in eine Rezession. Es sei denn, das Ausland springt in die Nachfrage-Lücke und kauft, in diesem Fall dann Deutschland, alles das ab, was Deutschland produzieren, aber nicht selbst verbrauchen will. Und von dieser Logik war und ist in den Verhandlungen über den deutschen Staatshaushalt niemals die Rede. Auch nicht bei diesem Gesetzesentwurf, obwohl das in meinen Augen die naheliegendste Begründung wäre. Zumindest könnte man damit begründen, warum es auch 2022 und 23 und wohl noch einige Jahre darüber hinaus wichtig ist, dass der Staat mehr Geld ausgibt, als er einnimmt. Die Wirtschaft braucht dringend einen Sektor, der bereit ist, die Konjunktur schädigenden Wirkungen der Sparzwänge der Privaten auszugleichen. Und wenn man das verstanden hat, muss man sich auch nicht mehr irgendwelche Buchungstricks ausdenken, um Geld locker zu machen. Denn die Einnahmen-Ausgaben-Logik ist, anders als irgendwelche keynesianischen oder neoklassischen oder liberalen oder sonstigen Ideen; diese Logik ist immer und jederzeit gültig und diese Logik zu ignorieren ist einfach fatal.

Da gebe ich dir vollkommen recht. Das sieht man auch vor allem an der Debatte, wenn es um Exportüberschüsse geht, die ja bitte jeder machen sollte. In deinem Gutachten und ein Wortbeiträgen in der Anhörung hast du stets eine europäische Perspektive eingebracht. Was hat es damit auf sich?

Friederike Spiecker: Wie ich eben schon sagte: Wenn die privaten Haushalte und die Unternehmen in Deutschland ihre Sparbemühungen weiter fortsetzen, woran sie niemand hindern kann und dann auch noch der deutsche Staatssektor die Schuldenbremse einzuhalten versucht. Dann brauchen wir eine Nachfrage-Überschuss des Auslands. Und zwar von jährlich 240 bis 250 Milliarden Euro. Damit unsere Wirtschaft nicht abstürzt. Das ist auch gar nicht unrealistisch. Wir haben laut den aktuellen Zahlen der Deutschen Bundesbank, 2021 einen Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 234 Milliarden Euro gemacht. Das sind ungefähr 6,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland ist ja so enorm wettbewerbsfähig und deswegen kann es sich im internationalen Handel kräftig behaupten. Das Problem ist aber folgendes: Auf der anderen Seite genau dieser Medaille steht, dass sich das Ausland verschuldet. Zu dem Ausland gehören unsere EWU-Partner, zum Beispiel Frankreich und Italien. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob der deutsche Leistungsbilanzüberschuss durch die Käufe von den Privaten in diesen Ländern zu Stande kommt oder direkt über deren Staatshaushalte entsteht, oder dadurch, dass diese Länder auf Drittmärkten außerhalb der EWU, also beim internationalen Handel, nur unzureichend reüssieren, weil eben die deutsche Wettbewerbsfähigkeit so hoch ist. Das spielt gar keine Rolle. Es ist also egal, welcher Sektor im Ausland die Miesen Macht, im direkten oder indirekten Handel mit Deutschland, in jedem Fall gefährden diese Handels-Ungleichgewichte die Arbeitsplätze im Ausland, also zum Beispiel in Frankreich oder Italien. Und das wirkt ganz automatisch auf die Staatshaushalte dieser Länder durch, mit weniger Steuereinnahmen und mit höheren Sozialtransfers. Und nun will Deutschland diesen EWU-Partnerländern, wie die deutsche Regierung, namentlich ihr Finanzminister Christian Lindner, vorschreiben, dass sie sich an die europäischen Fiskalregeln halten sollen. Sprich: Dass sie in ihren Staatshaushalten sparen sollen. Das ist ein glatter Widerspruch. Das ist ein Verstoß gegen die Logik und deshalb ist diese Zielsetzung der deutschen Regierung unhaltbar. Wenn die EWU-Partner im deutschen Sinne erfolgreich werden beim Einhalten der Fiskalregeln, bräche die Konjunktur in Europa massiv ein. Denn dann wollen alle gleichzeitig sparen und allen fehlt gleichzeitig Nachfrage. Denn, dass das außereuropäische Ausland mit einer Überschuss Nachfrage von 600 Milliarden Euro aufwärts einspringt und für Europa in die Schuldner-Rolle schlüpft, das ist in dieser Größenordnung sicher ausgeschlossen. Das gäbe eine Reaktion der Wechselkurse und vor allen Dingen eine politische Reaktion. Das lässt sich der Rest der Welt, das lassen sich die USA und China nicht gefallen. Wenn die europäische Wirtschaft nicht abstürzen soll, muss die EWU also intern Schuldner finden. Und wenn das in Deutschland keiner der Binnen-Sektoren tun will, auch nicht der Staat, dann müssen es eben die anderen EWU-Länder tun. Die kann man dann aber aus logischen, wohlgemerkt aus logischen Gründen, nicht genau dafür kritisieren, dass sie das tun. Sich verschulden und damit Deutschlands Wirtschaft mit über Wasser halten. Die, die durch unseren Spar Wahnsinn extrem gefährdet ist. Ich sehe also das eigentliche Problem des Gesetzentwurfs nicht in der Höhe des Milliardenbetrags, nicht in den Buchungsricks und nicht in den juristischen Fragen, die es aufwirft. Ich sehe das Problem darin, dass mit dem Gesetz vorbereitet werden soll, dass Deutschland seinen EWU-Partnern unter die Nase reibt, dass es in der Lage ist, die Schuldenbremse einzuhalten, öffentliche Investitionen zu tätigen und dafür trotzdem nicht die Sozialausgaben kürzen zu müssen. Und mit dieser weißen Weste will man sich hinstellen und die anderen Länder auffordern, bitteschön dasselbe Kunststück zu vollbringen. Obwohl das aus logischen Gründen nicht möglich ist. Und deshalb die europäische Konjunktur in die Rezession stürzen würde. Oder was dem ungefähr gleichkommt die Euro-Krise wieder aufflammen würde, die ja ohnehin seit Jahren schwelt.

Das wäre fatal. Genauso, wenn eine weitgehende Reform der europäischen Schulden-Regeln ausbleiben würde. Wie müsste Deutschlands Fiskalpolitik stattdessen in den kommenden Jahren aussehen?

Friederike Spiecker: Deutschland muss seine Schuldenbremse abschaffen oder zumindest so reformieren, dass der Staat jederzeit auf das Sparverhalten der Privaten flexibel reagieren kann. Das ist erforderlich, solange der Unternehmenssektor nicht bereit ist, per Saldo die Schuldner-Rolle zu übernehmen und mit schuldenfinanzierten Investitionen die Wirtschaft vor dem Sparbedingten Nachfrage-Ausfall der privaten Haushalte zu bewahren, wie er das früher gemacht hat. In den 1950er und 60er Jahren, bis Ende der 1990er Jahre hat das funktioniert. Inzwischen macht es der Unternehmenssektor nicht mehr. Wir brauchen also eine Gesetzeslage, die dem Staat ermöglicht, seiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung jederzeit nachzukommen und ihn nicht fesselt, so dass er aus juristischen Gründen nicht das Notwendige tun kann. Meiner Ansicht nach können wir uns eine auf rein nationale und obendrein kameralistische, fiskalpolitische und juristische Aspekte eingeengte Debatte nicht mehr leisten. Jedenfalls nicht, wenn Deutschland Europa nicht schaden will und damit sich selbst.

Das kann ich nur unterschreiben. Gibt es noch einen Punkt, den du in dieser Debatte besonders betonen möchtest?

Friederike Spiecker: Ja, den gibt es. Ich fände es extrem wichtig, dass in Deutschland in Sachen Ökonomik rational diskutiert wird, ohne ideologische Scheuklappen. Das erfordert viel Mut, gerade von Seiten der Politiker. Die müssten nämlich unlogische Positionen als solche erkennen und dann räumen. Das ist viel verlangt. Aber anders kommen wir auf keine vertretbare, nämlich auf eine logisch-widerspruchsfreie Position. Die brauchen wir ganz dringend, vor allen Dingen für die internationale Zusammenarbeit, sei es im Bereich Klimaschutzpolitik, sei es bei der Flüchtlings- oder der Friedenspolitik. Mit einem irrationalen Partner mag niemand verhandeln, sei er ökonomisch noch so stark. Wenn wir unsere ökonomische Macht benutzen, logisch Unmögliches von unseren Partnern zu verlangen, können wir nur scheitern. Und wir stärken dadurch die radikalen Ränder der Gesellschaft hierzulande und andernorts. Und das sollten wir nicht tun.

Vielen Dank, liebe Friederike, für die spannenden Antworten. Eine logischere Diskussion wäre sehr wünschenswert. In der kommenden Woche steht der Bundestag wieder eine Debatte zum Nachtragshaushalt an. Wo wir sicherlich noch den einen oder anderen Mythos wieder aufgetischt bekommen werden. Abgesehen davon muss sich die Koalition auch ranhalten, die haushaltspolitischen Eckpfeiler für den Haushalt 2023, also wenn die Schuldenbremse wieder gilt, schon demnächst anstehen. Sobald es dazu konkrete Vorschläge und eine Debatte gibt, werden wir uns auch das hier im Podcast noch mal genauer ansehen. Bis dahin könnte wie immer den Podcast abonnieren oder ihn auf Spotify oder Apple Podcast bewerten, wenn er euch gefallen hat. Bis zum nächsten Mal bei den Wirtschaftsfragen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert